Gendermedizin Warum verschiedene Geschlechter andere Medizin brauchen
Lange Zeit war die Medizin von Männern geprägt und Frauen waren wenig bis gar nicht in klinischen Studien vertreten. Erst seit einigen Jahren schaut die Forschung verstärkt auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern, auch unter Berücksichtigung der Vielfalt der Geschlechtsidentitäten. Dabei spielen sowohl soziale als auch biologische Faktoren eine Rolle. Die Forschung der Gendermedizin befasst sich aktuell vorwiegend mit den beiden Geschlechtern männlich und weiblich. Aus diesem Grund liegt der Fokus auch in diesem Beitrag auf Frauen und Männer.
In diesem Beitrag werden häufige Fragen zum Thema „Gendergesundheit“ beantwortet. Sie als gesunde erwachsene Person erfahren, was Ihr Geschlecht mit Ihrer Gesundheit zu tun hat. Wir klären über Mythen rund um das Thema auf und Sie erfahren, wo Sie weitere Informationen finden. Mit diesen Informationen können Sie sich selbst ein Bild machen, bevor Sie eine Entscheidung für Ihre Gesundheit treffen!
- Frauen haben im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung als Männer.[1]
- Es gibt das biologische Geschlecht und das soziale Geschlecht. Beides hat Einfluss auf die Gesundheit von Menschen.[2]
- Das Gesundheitsverhalten von Männern und Frauen ist unterschiedlich. Frauen ernähren sich im Durchschnitt gesünder, Männer bewegen sich statistisch betrachtet mehr.[3]
- Lange Zeit wurden in der medizinischen Forschung nur Männer in Studien einbezogen. Seit Beginn der 2000er Jahre müssen eventuelle Unterschiede zwischen den Geschlechtern ermittelt werden.[6]
- Anzeichen für Erkrankungen und Beschwerden können bei den Geschlechtern unterschiedlich sein. Das ist zum Beispiel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen der Fall.[7]
- Medikamente können bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken. Das Risiko für Nebenwirkungen ist bei Frauen höher.[3]
Die Lebenserwartung der Männer in der Steiermark lag im Jahr 2019 bei 79,5 Jahren. Die Lebenserwartung der steirischen Frauen bei 84,7 Jahren. Statistisch gesehen werden Frauen also älter als Männer.
Die Lebenserwartung in (sehr) guter Gesundheit lag 2019 in der Steiermark bei 61,8 Jahren bei Männern und bei 63,2 Jahren bei Frauen.[1]
Gesundheit und Krankheit bei der Frau
- Frauen nehmen eine notwendige Behandlung bei einer Depression häufiger in Anspruch als Männer.
- Für Frauen ist es schwieriger mit dem Rauchen aufzuhören. Frauen verstoffwechseln das Nikotin aus Zigaretten schneller als Männer.
- Osteoporose ist bei Frauen häufiger als bei Männern. Frauen haben weniger Knochengewebe. Hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren wirken sich stark auf die Knochen aus.[2]
Gesundheit und Krankheit beim Mann
- Männer haben aus biologischer Sicht ein höheres Risiko an Diabetes zu erkranken als Frauen. Mehr Bauchfett und Leberfett sowie eine niedrigere Empfindlichkeit gegenüber Insulin könnten Gründe sein.[8]
- Darmkrebs tritt bei Männern häufiger und in jüngerem Alter auf als bei Frauen. Betrachtet man das gesamte Leben, sterben laut Schätzungen 32 von 1000 Männern an Darmkrebs. Dagegen sterben nur 26 von 1000 Frauen an Darmkrebs.[9]
- Nikotin-Ersatz-Therapien (zum Beispiel Pflaster oder Kaugummi) wirken bei Männern besser als bei Frauen.[2]
Es gibt viele Klischees was die Gesundheit von Männern und Frauen betrifft – aber sind diese auch wahr?
Mythos 1: Männerschnupfen gibt es wirklich!
Wahrscheinlich nicht. Eine Studie mit 113 Personen fand keinen geschlechts-spezifischen Unterschied zwischen Männern und Frauen bei Symptomen wie Schnupfen, Kopfschmerzen und Schüttelfrost. Frauen werden aber schneller wieder gesund. Die Anzahl der Studien-Teilnehmer*innen ist sehr gering. Daher ist diese Studie eher kritisch zu betrachten. Mehr dazu lesen Sie hier.[10]
Mythos 2: Frauen sind schmerzempfindlicher.
Wahrscheinlich ja. Untersuchungen zeigen, dass Schmerzsensoren bei Frauen empfindlicher sind als bei Männern. Die Intensität des Schmerzes wird von Frauen höher eingeschätzt und sie halten den Schmerz kürzer aus. Mehr dazu lesen Sie hier.[11]
Mythos 3: Medikamente können bei Männern und Frauen unterschiedlich wirken.
Stimmt. Ein Beispiel ist der Wirkstoff Digoxin: Eine Studie aus dem Jahr 1997 besagte, dass Personen mit Herzschwäche, die den Wirkstoff Digoxin einnahmen, seltener ins Krankenhaus müssten. Eine nachträgliche Analyse, die die Geschlechterunterschiede berücksichtigte zeigte: Der Wirkstoff nützt nur Männern. Bei Frauen erhöht Digoxin sogar das Risiko zu sterben.
Frauen und Männer sind auch in der Steiermark unterschiedlich gesund. Das belegen die Daten aus dem Gesundheitsbericht 2020:
- Männer hatten 2019 eine Lebenserwartung von 79,5 Jahre. Die Lebenserwartung von Frauen betrug 2019 84,7 Jahre.
- Die Steirer schätzen ihre Lebensqualität etwas höher ein als die Steirerinnen.
- Mehr Männer als Frauen sind krankhaft übergewichtig.
- Männer sind etwas häufiger von Krebserkrankungen betroffen als Frauen.
- Deutlich mehr Männer als Frauen haben einen Herzinfarkt.
- 23 % der Steirerinnen und 18,2 % der Steirer gaben 2019 an, dass sie eine Allergie haben.
Warum leben Frauen länger?
Männer sterben im Durchschnitt fünf Jahre früher als Frauen. Das liegt nicht ausschließlich, aber stark an der Biologie. Denn bei vielen Tieren ist das auch so.
In der Podcast-Folge #274 von „Erklär mir die Welt“ erklärt Ina Huppertz, warum Frauen länger leben. Sie ist Biologin und Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns.
Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es Unterschiede zwischen Frauen und Männern: Männer erkranken meistens früher als Frauen. Bei Frauen wirkt das Hormon Östrogen bis zu den Wechseljahren als Schutzfaktor.
So unterscheiden sich die Anzeichen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Männern und Frauen:
Häufigste Anzeichen bei Männern
- Ein Gefühl der Enge in der Brust
- Schmerzen im linken Arm
- Atemnot
Häufigste Anzeichen bei Frauen
- Schlafstörungen
- Rückenschmerzen
- Unklare Schmerzen im Oberbauch und Übelkeit
- Enge in der Brust
- Atemnot
- Geschwollene Knöchel[7]
Der Gesundheitsbericht zeigt, wie gesund die Steirerinnen und Steirer sind. Viele Daten werden auch nach Geschlecht erhoben, das heißt Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind erkennbar.
Spannende Informationen zum Thema Gendergesundheit, insbesondere mit Fokus auf Frauengesundheit finden Sie im öffentlichen Gesundheitsportal Österreich.
Der Bericht mit Schwerpunkt psychische Gesundheit am Beispiel Depression und Suizid versucht, Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu ergründen.
Redaktion: Anja Mandl, BA MA (Bachelor und Master in Gesundheitsmanagement) oder Bianca Heppner, MPH (Master in Public Health)
Ärztliches Review: Dr.in Eva Wolfbauer
Bei der Erstellung dieser Gesundheitsinformation lagen keine Interessenskonflikte der Autor*innen vor.
Die Gefahr, dass Interessen der Expert*innen, die Inhalte beeinflussen, wird verringert, indem Interessenkonflikte strategisch abgefragt und bei Bestehen veröffentlicht werden. Informationen zur Strategie im Umgang mit Interessenskonflikten finden Sie im Methodenpapier.
Quellen:
[1]
Gesundheitsbericht 2020 für die Steiermark. Gesundheitsfonds Steiermark (Hrsg.), 2020, https://gesundheitsbericht-steiermark.at/
[2]
How Sex and Gender Influence Health and Disease. National Institutes of Healh. Office of Research on Women’s Health (Hrsg.), 2005, https://orwh.od.nih.gov/sites/orwh/files/docs/SexGenderInfographic_11x17_508.pdf
[3]
Gendergesundheit. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs (Hrsg.), 2021, https://www.gesundheit.gv.at/leben/gendermedizin.html
[4]
Gender-Gesundheitsbericht Schwerpunkt Psychische Gesundheit am Beispiel Depression und Suizid. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (Hrsg.), 2019, https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:ac442a16-1aa0-444b-a828-263640374cda/Gendergesundheitsbericht%202019.pdf
[5]
Das macht einen Unterschied: Frauen richtig behandeln. Wiener Gesundheitsverbund (Hrsg.), 2022, https://gesundheitsverbund.at/das-macht-einen-unterschied-frauen-richtig-behandeln/
[6]
vfa-Positionspapier: Berücksichtigung von Frauen und Männern bei der Arzneimittelforschung, Die forschenden Pharma-Unternehmen (Hrsg.), https://www.vfa.de/download/positionspapier-beruecksichtigung-von-frauen-und-maennern-bei-der-arzneimittelforschung.pdf-1
[7]
Gesund sein! Gesund bleiben! Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. Österreichische Gesundheitskasse (Hrsg.), 2020, Link nicht mehr verfügbar (Aktualisierung am 20.08.2024)
[8]
Diabetes: Unterschiede bei Frauen und Männern, Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs (Hrsg.), 2016, https://www.gesundheit.gv.at/news/aktuelles/archiv-2016/diabetes-geschlechtsunterschiede.html#:~:text=Bei%20Frauen%20sind%20h%C3%B6here%20Werte,eines%20Testosteronmangels
%20ein%20geschlechtsspezifischer%20Risikofaktor.
[9]
Darmkrebs. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (Hrsg.), 2021, https://www.gesundheitsinformation.de/darmkrebs.html
[10]
„Männerschnupfen“ gibt es nicht. ORF.at (Hrsg.), 2023, https://science.orf.at/stories/3216898/
[11]
Genderaspekte in der Schmerzmedizin. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs (Hrsg.), 2017, https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/gehirn-nerven/schmerz/genderaspekte-schmerzmedizin.html#:~:text=Experimentelle%20Untersuchungen%20zeigen%2C%20dass%20Frauen,bereits
%20niedrigere%20Reize%20als%20schmerzhaft.
[12]
Kompetent als Patientin und Patient. Gut informiert entscheiden. Dachverband der Sozialversicherungsträger, 2021, https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/load?contentid=10008.783764&version=1702372288
[13]
Geschlechtergerechte Gesundheitsinformation. Frauengesundheitszentrum Graz (Hrsg.), 2021, Powerpoint-Folien aus der Arbeitsgruppe „Gute Gesundheitsinformation“ vom 21.10.2021
[14]
Geschlechtsidentität und Geschlecht. Stadt Wien (Hrsg.), k.J., https://www.wien.gv.at/menschen/queer/transgender/geschlechtsidentitaet.html